Wenn sich in der Wasserbau-Halle der TU Graz die Schleusen öffnen, schießt das Wasser ins vorbereitete Flussbett. Streng nach Maßstab sind Speichersysteme, Brücken und Wasserbauten aller Art nachgefertigt. Die Messungen in der Versuchshalle des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft erlauben den Forschern so zuverlässige Rückschlüsse auf die Realität. „Gemessen werden in erster Linie Wasserdrücke, -spiegel und -geschwindigkeiten, die dann digitalisiert und am Computer ausgewertet werden“, erklärt Institutsleiter Günther Heigerth. Überprüft werden neben Wasserkraft- und Hochwasserschutzanlagen unter anderem Flussverbauungen, Rohrleitungen und Brückenpfeiler. „Auch bei der Grazer Murinsel haben wir den hydraulischen Modellversuch durchgeführt und wissenschaftlich beraten“, berichtet Heigerth. Die Ergebnisse der Versuche und Messungen dienen dabei nicht nur der Planung, sondern auch der Kontrolle bestehender wasserbaulicher Anlagen, die so sicherheitstechnisch, ökonomisch und ökologisch optimiert werden.
Island trifft die Steiermark
Genau zum 40-jährigen Bestehen des Wasserbau-Labors der TU Graz ist der größte Versuch in dessen Geschichte aufgebaut: Das maßstabsgetreue Modell von wesentlichen Teilen des isländischen Speicherkraftwerks „Kárahnjúkar“ ragt durch die Versuchshalle. Direkt daneben wird ein Mur-Kraftwerk getestet, einige Meter weiter fließt die Salzach. Rund 215 Modellversuche waren in den letzten 40 Jahren in der Grazer Hermann-Grengg-Halle aufgebaut. Darunter finden sich renommierte nationale wie internationale Wasserbauten, die im Versuchsaufbau in Graz oft gleich nebeneinander standen. Aber nicht nur die Wissenschaft profitiert von den Ergebnissen der Grazer Forschung: Kraftwerksbetreiber aus aller Welt, renommierte Unternehmen und auch mehrere österreichische Landesregierungen vertrauen auf die Kompetenz der Messergebnisse aus Graz.
Wasserbaupionier als Namensgeber
Die Geschichte des Grazer Wasserbau-Labors reicht weit zurück: Bereits um 1900 führten Wissenschafter - zuerst in einem Kleinstlabor der damaligen „Technischen Hochschule“ in der Grazer Rechbauerstraße, später auch in einer Freiluftanlage im Innenhof der Alten Technik - Experimente durch. 1948 übernahm mit Hermann Grengg ein Altmeister des österreichischen Wasserbaus die Leitung von Institut und Labor. Wegen der beengten Platzverhältnisse drängte der spätere TU-Rektor auf den Neubau eines eigenen Labors. Der Spatenstich für das neue Laboratorium in der Stremayrgasse, das Grengg selbst mitentworfen hat, erfolgte schließlich 1960. Im Spätherbst 1964 wurde die Versuchsanlage der Wissenschaft übergeben und dient heute in nahezu unveränderter Form der Durchführung von hydraulischen Modellversuchen. 1991 wurde die Halle nach ihrem Gründer, dem Altmeister des österreichischen Wasserbaus, Hermann Grengg, getauft.
Über die Riesentreppe zum Herz der Anlage
Mit der neuen, wesentlich größeren Heimstätte für Versuche eröffneten sich den Grazer Wasserbau-Ingenieuren völlig neue Möglichkeiten: „Unser Versuchslabor erlaubt es auf zwei oder mehr Etagen gleichzeitig Modelle aufzubauen“, erläutert Bauingenieur Heigerth, seit über fünfzehn Jahren „Herr“ über Wasserbau-Institut und Versuchshalle. Derzeit stehen auf zwei Stockwerken insgesamt acht Versuchsaufbauten für wissenschaftliche Untersuchungen bereit. Schon die Versuchsfläche im Erdgeschoss ermöglicht auf etwa 1100 Quadratmetern die unverzerrte Darstellung von Anlagen an großen Flüssen wie der Donau. „Unsere so genannte ‚Riesentreppe’ verbindet diesen Niederdruckbereich mit dem neun Meter tiefer gelegenen Mitteldruckbereich, der Voll- und Teilmodellen mit größeren Höhenentwicklungen vorbehalten ist“, ergänzt Heigerth. Das Kernstück der Anlage bildet eine zentrale Pumpstation: „Dieses ‚Herz’ unseres Versuchlabors erreicht eine Förderleistung von bis zu 1000 Litern in der Sekunde“ so Heigerth stolz. Auch die Studierenden nutzen die Anlage für Experimente: Im Rahmen von speziellen Übungen, Diplomarbeiten und Dissertationen werden laufend Versuche durchgeführt.
Grazer Wasserbau weiter am Erfolgsweg
Bis heute ist die Hermann-Grengg-Halle die österreichweit größte versuchstechnische Anlage im Bereich Wasserbau in Österreich. Erneuert wurden vor fünf Jahren lediglich die Pumpenanlage samt elektronischer Steuerung sowie Teile der hydraulischen Ausrüstung. Und auch heute noch errichtet speziell geschultes Personal in eigenen Werkstätten die Modelle selbst. „Unsere erfolgreiche Tätigkeit gründet nicht nur im wissenschaftlichen Interesse, sondern sicherlich auch in der Freude, am verkleinerten Objekt selbst Hand anlegen zu können“, zeigt sich Heigerth begeistert. Um am Puls der Zeit zu bleiben, entwickelten die Wissenschafter seit der Einrichtung des Labors vor allem die computerisierte Messtechnik weiter. Ebenso etablierten die Forscher mit der zunehmenden Bedeutung der numerischen Simulation in den Ingenieurwissenschaften auch die Modellbildung am Computer als weiteres Standbein im Bereich Wasserbau. Mit der neuen Schwerpunktsetzung der Forschung auf Hochwasserschutz reagiert das Institut zudem auf aktuelle Erfordernisse. „Wir möchten uns so für die Zukunft rüsten und damit sicherstellen, dass das Hermann-Grengg-Laboratorium an der TU Graz auch weiterhin international konkurrenzfähig ist“, schließ Heigerth.
Rückfragen:
O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Günther Heigerth
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