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13. Dezember 2005

Laudatio Ziegenfuß

O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Josef Wohinz

 


In Meyer´s Großem Konversationslexikon (Auflage 1876) ist unter dem Begriff „Industrie“ der folgende Eintrag zu finden:

„Industrie (lat. Industria, „Fleiß, Betriebsamkeit“), die Gesamtheit derjenigen Arbeiten, welche die Erhöhung des Werths der von Natur dargebotenen Rohstoffe, also die Stoffveredelung mittels technischer Verrichtungen, zum Zwecke haben; im engeren Sinn aber versteht man darunter insbesondere den fabriksmäßigen Gewerbebetrieb und nennt demgemäß einen Fabrikanten auch einen Industriellen. Die industrielle Tätigkeit in einem Land wird einerseits durch die natürliche Beschaffenheit desselben, andererseits durch den Kulturgrad seiner Bewohner bestimmt.“

Ich habe diese Formulierung bewusst ausgewählt, um damit zwei Punkte anzusprechen:

Zum einen möchte ich damit schlaglichtartig einen Rückblick in die industrielle Entwicklung unseres Landes verbinden. Das 19. Jahrhundert wurde geprägt durch einen gesellschaftlichen Prozess, den wir heute als die „Industrielle Revolution“ bezeichnen. Erzherzog Johann hatte für unser Land daran wesentlichen Anteil. Er war selbst als Unternehmer tätig: Am Erzberg und in zwei Radwerken in Vordernberg, mit Kohlengruben in Maria Lankowitz und einem Blechwalzwerk in Krems bei Voitsberg. Darüber hinaus gründete er 1811 das nach ihm benannte Joanneum zur Unterstützung dieser industriellen Entwicklung; aus diesem ging um 1870 die K.K. Technische Hochschule hervor. Die Bedeutung für die Entwicklung der technischen Wissenschaften kann beispielhaft an diesem Gebäude und diesem Festsaal abgelesen werden: es wurde am 12. Dez. 1888 (also vor 117 Jahren) in Anwesenheit seiner Majestät, Kaiser Franz Josef I, seiner Bestimmung übergeben.

Zum zweiten möchte ich damit aber auch aufzeigen, dass diese industrielle Zielsetzung, d.h. die „Erhöhung des Werths der von der Natur dargebotenen Rohstoffe“, auch im 21. Jahrhundert noch immer Gültigkeit hat und nach wie vor auf einer engen Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den technischen Wissenschaften aufbaut. Heute sprechen wir üblicherweise von industriellen Wertschöpfungsprozessen, von Value Creation und Value Management bzw. von Wissensmanagement oder Knowledge Management an den Universitäten.
Nach dieser einleitenden Betrachtung möchte ich nun auf den von mir Vorzustellenden zu sprechen kommen.

Jochen Ziegenfuß wurde noch während des Zweiten Weltkriegs – im Jahr 1942 – in eine Unternehmerfamilie hineingeboren, die bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in Kärnten industriell tätig war. Sie beschäftigte sich mit dem Abbau von Kalkstein und Ton und der nachfolgenden Verarbeitung und dem Vertrieb von Zement und Zementprodukten.
Jochen Ziegenfuß absolvierte die Volks- und Mittelschulausbildung in Graz und begann 1961 das Studium des Wirtschaftsingenieurwesen für Maschinenbau an unserer damaligen Technischen Hochschule.
Die Wahl gerade dieses Studienprogrammes hat er selbst mit seinen vielseitigen Interessen begründet – ein Merkmal, das ihm auch heute noch eigen ist.
1967 schloss er mit der Graduierung zum Diplomingenieur ab.
Schon damals war Jochen Ziegenfuß über das eigentliche Studium hinaus zusätzlich engagiert. Dies betraf insbesondere das Akademische Corps Joannea und später den Österreichischen Verband der Wirtschaftsingenieure, wo er Vorsitzender der Studentengruppe war.

Nach Studienabschluss führte ihn seine berufliche Entwicklung zunächst zu einem Zementmaschinenhersteller nach Deutschland; danach übersiedelte er als Projektingenieur nach Ohio, USA.
In den Jahren 1969 / 70 absolvierte er ein Studienprogramm an der renommierten Managerschmiede INSEAD in Fontainbleau bei Paris und erwarb den akademischen Grad „Master of Business Administration – MBA“.

Mit dieser exzellenten Wissensbasis ausgestattet, stieg er in das Familienunternehmen ein.
Seine erste Funktion betraf die Werksleitung bzw. Geschäftsführung der Duritwerke Kern & Co in Wietersdorf in Kärnten. Danach folgte die Geschäftsführung der HOBAS – Rohrwerke in Wietersdorf, Klagenfurt und Basel. Schließlich übernahm er die Bereichsleitung und Geschäftsführung der Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke sowie des Poloplast – Kunststoffwerkes in Linz.
Heute ist Jochen Ziegenfuß als einer von zwei Geschäftsführenden Gesellschaftern der gesamten Wietersdorfer Gruppe tätig.

Diese Gruppe – eigentlich ein Konzern mit mehreren Untergruppen – umfasst derzeit rund 50 Gesellschaften; mehr als 30 davon sind im Ausland tätig. Produktionsstandorte befinden sich nicht nur in Österreich, sondern in vielen Nachbarländern, aber auch in Übersee wie USA und Thailand. Zu den bekanntesten Marken zählen W & P Zement in Österreich, Salonit – Anhovo in Slowenien, BAUMIT- und baumir – Produkte, sowie HOBAS – und Poloplast – Rohre.
Im Jahr 2004 wurde in der Gruppe von mehr als 2600 MitarbeiterInnen ein Umsatz von über 480 Mio. € erwirtschaftet.

Die Verstärkung der Auslandsaktivitäten in den letzten Jahren war Jochen Ziegenfuß ein besonderes Anliegen. Seine breit angelegten Sprachkenntnisse – in Englisch, Französisch, Italienisch und Slowenisch -, seine polyglotte Orientierung und seine intuitive Begabung für „Cross Cultural Management“ stellen eine gute Ausgangsbasis dafür dar.
Das Unternehmen befindet sich nach wie vor im Eigentum der Nachkommen der Gründergeneration – die operativen Einheiten werden von Managern geführt, die über hohe Selbstständigkeit verfügen.

Über seine unternehmerische Tätigkeit hinaus ist Jochen Ziegenfuß in vielfältiger Weise engagiert.
Beispielhaft sind hier zu erwähnen:

­ Mitglied des Vorstandes der Industriellenvereinigung Kärnten
­ Vorsitzender des Aufsichtsrates der Kärntner Energie Holding Beteiligungs GmbH
­ Vorsitzender des Aufsichtsrates der Privatstiftung der Kärntner Sparkasse
­ Mitglied des Wissenschaftsrates des BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur (2003 – 2005)
­ Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichichen Forschungsförderungsgesellschaft
Gerade in den beiden zuletzt genannten Funktionen – als Mitglied des Wissenschaftsrates des BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur und als Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft - konnte Jochen Ziegenfuß wichtige Beiträge zur allgemeinen Universitätsentwicklung und zur Förderung akademischer Forschung und Lehre im Besonderen leisten.

Betrachtet man den bisherigen Lebensweg von Jochen Ziegenfuß, so lassen sich daran drei Merkmale festhalten:

1. Jochen Ziegenfuß kann als Industrieller im besten joanneischen Sinn bezeichnet und zu den herausragenden Vertretern der österreichischen Industrie gezählt werden. Die Verbindung zwischen der Industrie und den Universitäten ist ihm dabei stets ein besonderes Anliegen.
2. Jochen Ziegenfuß hat sich darüber hinaus seit seiner Studentenzeit Fragen allgemeiner gesellschaftlicher Verantwortung wie spezieller akademischer Ausprägung besonders gewidmet und zu deren Beantwortung auch aktiv Beiträge geleistet.
3. Jochen Ziegenfuß hat sich immer seiner Heimatuniversität – der Alma mater Joannea – in besonderer Weise verbunden gefühlt und dies durch vielfältige Formen der Kooperation zum Ausdruck gebracht.
Der Senat der Erzherzog – Johann – Universität hat deshalb in seiner Sitzung am 2. Mai 2005 einstimmig beschlossen, Herrn Dipl.-Ing. Jochen Ziegenfuß die Würde eines Ehrensenators zu verleihen.
In einem Vorgespräch hat mir Jochen Ziegenfuß versichert, dass er diese Ehrung nicht nur für seine Person, sondern auch für die von ihm vertretene W & P – Unternehmensgruppe und die Leistungen aller dort tätigen MitarbeiterInnen entgegennehmen möchte.

Magnifizienz, ich ersuche die Würdigung zum gegebenen Zeitpunkt vorzunehmen.

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