Als am 15. Juni 1904 in den Räumen der damaligen „Technischen Hochschule“ in Graz das Dachsteinlied erklang, war erstmals der Beweis erbracht, dass die drahtlose Übertragung von Tönen möglich ist. Dem österreichischen Maschinenbauer Otto Nußbaumer gelang es seinen Gesang über eine Distanz von 20 Metern zu übertragen, die erste Radiosendung der Welt hatte damit stattgefunden. Am 15. Juni 2004, exakt am hundertsten Jahrestag des Experiments, ertönte das Dachsteinlied wieder, diesmal gespielt von Star-Trompeter Toni Maier, der eigens an die TU Graz gekommen war.
Auch die Wiederholung des Pionierexperiments war eine technische
Meisterleistung: „Wesentliche Originalteile waren nicht mehr vorhanden,
es fehlte etwa ein stromstarkes Mikrophon, das mehreren Ampere
Stromstärke standhält“, schildert Helmut Jäger, emeritierter Vorstand
des TU-Instituts für Experimentalphysik, die Schwierigkeiten bei der
Rekonstruktion. Gemeinsam mit dem ehemaligen technischen Leiter des
ORF-Landesstudios Steiermark, Gerhard Kasper, führte er wochenlang
verschiedene Versuche und Hochfrequenzmessungen durch, Spezialteile
wurden eigens für die Wiederholung des Experiments nachgebaut. Nußbaumer
selbst hatte nur wenige Aufzeichnungen gemacht. „Keiner hat jemals genau
verstanden, wie das Gerät funktioniert. Die Idee hat uns einfach nicht
mehr losgelassen“, erklärt Jäger die Motivation der Unermüdlichen.
Mit der geglückten Wiederholung des Versuchs gelang gleichzeitig auch
der Nachweis der Funktionsweise der von Nußbaumer verwendeten Apparatur:
Jäger und Kasper widerlegten die bisher gültige Ansicht, der Funke würde
mit ungleicher Zündspannung überschlagen. Die Techniker bedienten sich
dazu technischer Hilfsmittel, die Nußbaumer zu Lebzeiten noch nicht zur
Verfügung standen. „Umso größer ist seine damalige Leistung zu
bewerten“, sind sie sich einig. „Dennoch wäre es falscher
Lokalpatriotismus zu behaupten, Nußbaumer hätte das Radio erfunden“,
klärt Kasper auf. „Das Radio ist ein Musterbeispiel für eine
internationale Erfindung: Einzelerfindungen wurden wie ein Puzzle zu
einem Ganzen zusammengesetzt und das Radio war technisch gesehen
erfunden.“ Dabei stand zuerst das Hörerlebnis Radio im Vordergrund, an
Unterhaltung dachte anfangs noch niemand: „Was man hört war anfangs gar
nicht so wichtig wie die Tatsache, dass man etwas hört“, ergänzt er.
Was aber geschah mit Nußbaumer und seinen Erkenntnissen? Nußbaumer
ereilte ein typisch österreichisches Erfinderschicksal: Er meldete
niemals Patent an und konnte auch keinen Gewinn aus seiner Erfindung
ziehen, sein Erfolg ist im Ausland kaum bekannt. Vielleicht hatte
Nußbaumer auch erkannt, dass er sich mit seiner Entwicklung in einer
Sackgasse befand: „Der Funkensender erwies sich im weiteren Verlauf der
Entwicklung der drahtlosen Nachrichtenübertragung als nicht mehr
ausbaufähig“, erläutern Jäger und Kasper heute. Dennoch bleibt Nußbaumer
der erste, dem die drahtlose Übertragung von Tönen gelungen ist und der
diesen Erfolg auch wissenschaftlich publiziert hat.
Kurzbiographie Otto Nußbaumer
Geboren am 31.3.1876 in Wilten bei Innsbruck
Schulzeit in Leoben und Kremsmünster, Matura an der
Landesoberrealschule in Graz
1901 Abschluss des Maschinenbau-Studiums an der „Technischen
Hochschule Graz“,
danach sechs Jahre lang Assistent bei Professor Albert von Ettingshausen
an der Lehrkanzel für Physik auf der Planstelle eines
Konstrukteurs
ab 1908 Landesbeamter im Baudepartement in Salzburg
Verstorben am 5.5.1930
Rückfragen:
Mag. Alice Senarclens de
Grancy
Email: alice.grancy@TUGraz.at
Tel.: 0316 873 6006
Mobil: 0664 60 873 6006
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