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21. November 2013

„Lichtmaschine" Elektronensynchrotron:
Mit intensivem Licht in Nanowelten blicken

Als einzigartiger Teilchenbeschleuniger bietet das Elektronensynchrotron Elettra in Triest faszinierende Analyseinstrumente für Forschung und Industrie. Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus rund 40 Nationen arbeiten hier zusammen an zukunftsweisenden Themen und durchleuchten organische und anorganische Materialien bis ins letzte Atom. Das Spektrum möglicher Anwendungen reicht von medizinischer Diagnostik bis zu Bauteilen für die Fahrzeugindustrie. Seit rund einem Jahr liegt Österreichs Beitrag an der internationalen Forschungseinrichtung in der Verantwortung der TU Graz, die die Nutzung der Infrastruktur interessierten Partnerinnen und Partnern anbietet und damit eine der wenigen österreichischen Forschungsstellen im Ausland koordiniert.

Als Lichtquelle mit deren intensivem Licht sich Objekte in atomarer Auflösung durchleuchten lassen: So könnte man ein Synchrotron beschreiben. Erzeugt wird dieses intensive Licht in so genannten Teilchenbeschleunigern. Herzstück von Teilchenbeschleunigern ist der Beschleunigerring, eine Art "Teilchen-Highway", in dem elektrisch geladene Teilchen, also Atome oder Moleküle, durch elektromagnetische Felder beschleunigt werden und beinahe mit Lichtgeschwindigkeit im Kreis "rasen".

In derartig extreme Geschwindigkeit versetzt, haben die Teilchen ein Vielfaches an überschüssiger Energie, die sie in Form von Licht abgeben. Dieses intensive Licht deckt das gesamte Frequenzspektrum von Infrarot- bis Röntgenstrahlung ab und lässt sich in einer Art "Exit des Teilchen-Highways", sogenannten Beamlines, gebündelt abzweigen und fokussieren. Ein Elektronensynchrotron ist damit vereinfacht gesagt eine kreisrunde Beschleuniger-Bahn mit einer bestimmen Anzahl an Abzweigungen für die dort entstandenen intensiven Lichtstrahlen. Damit haben Forscherinnen und Forscher ein vielseitiges Werkzeug in der Hand, mit dem sie die Struktur und Eigenschaften von organischen und anorganischen Materialien bis ins letzte Atom durchleuchten und untersuchen können. Relevant ist diese Analysemethode in unterschiedlichen Bereichen von Elektronik, Umweltwissenschaften und Werkstofftechnik über Medizin und Nanotechnologie bis zur physikalischen Grundlagenforschung und Materialforschung.

Elektronensynchrotron Elettra Triest

Mit dem "Elettra Synchrotron Trieste" findet sich im nördlichen Italien seit 16 Jahren eine einzigartige internationale Forschungseinrichtung, deren Herzstück eine Elektronenspeicherringanlage mit einem Umfang von 260 Metern ist. Momentan beherbergt Elettra 30 Beamlines. Hunderte Forscherinnen und Forscher und Ingenieurinnen und Ingenieure aus nahezu allen Bereichen der Naturwissenschaften und Technik nutzen die Großforschungsanlage jährlich für ihre wissenschaftlichen Experimente. Die intensive und brillante Lichtquelle von Elettra erlaubt nicht nur die Darstellung verschiedenster Materialien mit molekularer Auflösung, sondern auch dynamische Prozesse festzuhalten. So werden beispielsweise die Wirkungsweise von Oberflächensensoren oder die Effizienz neuer Antibiotika in Echtzeit erfasst. Die Liste zukunftsträchtiger Technologiefelder, die von der Großforschungsanlage profitieren, ist lang: medizinische Diagnostik, Herstellung von Nanopartikeln, Verbesserung von Lebensmittelstandards, Schaffung maßgeschneiderter Katalysematerialien und die Entwicklung neuer Sicherheitstechniken ("molekulare Strichcodes") sind nur einige der vielversprechenden Themenschwerpunkte. Ergänzt wird Elettra von der Lichtquelle FERMI@Elettra, die über einen Linearbeschleuniger von etwa 350 Metern Länge verfügt. Die Anlage erzeugt Lichtimpulse, die 10 Milliarden Mal heller und auch kürzer sind als das von Elettra erzeugte Licht. Über eine Reihe von Aufnahmen, 50 pro Sekunde, lässt sich damit die dynamische Struktur von Werkstoffen abbilden, wobei jede Aufnahme ein Zehntausendstel einer Milliardstel Sekunde dauert. Auf diese Weise ist es möglich, chemische und physikalische Phänomene und Wechselwirkungen dynamisch und genauer als je zuvor zu untersuchen. Sincrotrone Trieste ist ein Konsortium in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Aktionäre sind der Area Science Park mit 51 Prozent Anteile sowie die Region Friaul-Julisch Venetien (40 Prozent), die italienische Forschungsbehörde CNR (fünf Prozent) und Invitalia (vier Prozent).

Die Rolle der TU Graz

Österreich betreibt seit den Anfängen von Elettra eine der 30 Beamlines: die SAXS Röntgen-Kleinwinkel-Messstation und seit 2011/2012 mit der DXRL-Beamline für Röntgentiefenlithographie eine weitere dieser Forschungsstationen. Mit der Unterzeichnung der Rahmenverträge zur Nutzung der Beamlines zwischen Elettra und der TU Graz im November 2013 liegen die beiden österreichischen Außenstellen offiziell in Obhut der TU Graz, die die Experimente an den beiden Forschungsstationen koordiniert. Das Team der TU Graz vor Ort in Triest ist dem Institut für Anorganische Chemie zugeordnet und wird von Heinz Amenitsch geleitet.

SAXS Röntgen-Kleinwinkel-Messstation

Die SAXS-Beamline in Triest ist seit 1996 in Betrieb und nützt den Effekt der Röntgenkleinwinkelstreuung zur Aufklärung von Strukturen und Strukturveränderungen. Sie eignet sich damit besonders gut für kinematografische Untersuchungen. Dabei geht es um den Prozess der Strukturveränderungen in flüssigen und gasförmigen Proben. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen beispielsweise die Selbstorganisation von organischen oder anorganischen Membranen. Damit sie den Prozess bei unterschiedlichsten Rahmenbedingungen live mitverfolgen können, arbeiten sie stets auch an der Optimierung von Messbedingungen, beispielsweise an der Entwicklung innovativer Misch- und Untersuchungskammern für kleinste Flüssigkeits- oder Dampfmengen.

DXRL

DXRL steht kurz für "Deep X-ray lithography" und bedeutet übersetzt Röntgentiefenlithographie. Diese Methode nutzt die Röntgenstrahlung von Elettra und ermöglicht die Herstellung von dreidimensionalen Nanostrukturen aus mitunter neuartigen Materialien. Diese Nanostrukturen werden in weiterer Folge mit dem Fertigungsverfahren LIGA (kurz für Lithografie, Galvanik und Abformung) zu "Schablonen" für verschiedene Mikrobauteile aus Metall, Keramik oder Legierungen weiterverarbeitet, beispielsweise zu Mikrogeneratoren, Mikronadeln bis hin zu Mikrolinsen.

Bildmaterial bei Nennung der Quelle "TU Graz/Lunghammer" honorarfrei verfügbar.

Rückfragen:
Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Heinz Amenitsch
Institut für Anorganische Chemie/Elettra Triest
Mobil: 0039 040 375 8044/8363
E-Mail: amenitsch@elettra.eu

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