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22. Oktober 1999

Satellitenmission GOCE ist Nummer Eins

Sensationeller Erfolg für Grazer Weltraumforschungs-Team

Subtitel

Das wissenschaftliche Beratungsgremium der Europäischen Weltraumbehörde ESA hat sich kürzlich im Rahmen der ESA-Wissenschaftskonferenz "The Four Candidate Earth Explorer Core Missions" in Granada einstimmig für die Durchführung der ESA Satellitenmission GOCE als mit großem Abstand bestplazierter unter den vier vorgeschlagenen Missionen ausgesprochen. Die jahrelangen intensiven wissenschaftlichen Vorarbeiten für die Mission erfolgten durch eine europäische Forschergruppe unter maßgeblicher Mitwirkung des Grazer Forschungsteams für Satellitengeodäsie an der Technischen Universität Graz und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Hans Sünkel. Die milliardenschwere Mission "Gravity Field and Steady-state Ocean Circulation Explorer" (GOCE) zur globalen Gravitationsfeldbestimmung der Erde soll mit Satellitenstart im Jahr 2004 durchgeführt werden. Zuvor muß Mitte November 1999 die endgültige Genehmigung durch den Programme Board der Europäischen Weltraumbehörde erfolgen.

Vorrangiges Ziel von GOCE ist die Bestimmung der Detailstruktur des Gravitationsfeldes der Erde im globalen Maßstab mit höchster Genauigkeit. Die Satellitenmission wird die bisherige Kenntnis des Gravitationsfeldes der Erde zumindest um einen Faktor 100 verbessern. Damit übernimmt die ESA weltweit die Führungsrolle in Bezug auf die Erforschung des globalen Gravitationsfeldes der Erde mit höchster Genauigkeit und Auflösung. In der internationalen Wissenschaftsszene gilt das Projekt als technologischer Quantensprung für die Geowissenschaften schlechthin. Die globale Wettervorhersage und damit die Klimaforschung, die Erforschung von Erdbebenmechanismen und die Verbesserung der Vorhersage von Satellitenbahnen sind nur einige Problemfelder, die damit einer Lösung wesentlich näher rücken.

Noch vor drei Jahren stand GOCE in Konkurrenz mit acht anderen potentiellen Satellitenmissionen. Nach einer Vorauswahl vor drei Jahren "überlebten" vier Projekte, mit deren Ausarbeitung konkurrierende europäische Forschungslabors in den letzten Jahren intensiv befaßt waren. Das Grazer Team hat nun gemeinsam mit einem internationalen Konsortium den entscheidenden Durchbruch geschafft. An den wissenschaftlichen Missions-Vorarbeiten beteiligt sind neben den bereits genannten österreichischen Forschungseinrichtungen die Technischen Universitäten München und Delft, die Universitäten Bonn, Kopenhagen und Mailand, das Polytecnico di Milano, das Proudman Oceanographic Laboratory in Birkenhead (England), die Space Research Organisation Netherlands sowie das französische Weltraumforschungszentrum CNES in Toulouse. Projektleiter Sünkel und sein Team werden sich nicht lange auf ihren Lorbeeren ausruhen können, denn laut Sünkel heißt die Devise bis zum Satellitenstart im Jahr 2004: "Vor Genuß und Freude haben die Götter den Schweiß gesetzt".

Ausschlaggebend für die Wahl von GOCE als Nummer 1 war der hohe wissenschaftliche Anspruch, das beachtliche Potential an Forschungsinnovation, der multifunktionale Charakter sowie die hervorragende Vorbereitung durch ein internationales Team.

Der GOCE-Satellit

Die Satellitenmission GOCE gilt in vieler Hinsicht als eine der technologisch anspruchvollsten ESA-Missionen aller Zeiten. Der etwa 800 Kilogramm schwere und 4 Meter lange GOCE-Satellit wird in einer extrem niedrigen und bisher noch nie geflogenen Umlaufbahn von etwa 250 km operieren. Der in dieser Höhe noch vorhandene minimale Luftwiderstand und die anderen nichtgravitativen Störeinflüsse auf den Satelliten (wie etwa der Strahlungsdruck der Sonne) werden durch ein ausgeklügeltes System eines extrem sensiblen Ionenstrahlantriebs ständig kompensiert, sodaß der Satellit letztlich exakt die Bahn eines freien Falls um die Erde fliegt. Die Bahnbestimmung erfolgt dabei mit einer unglaublichen Genauigkeit von etwa 1 Zentimeter (!) in allen drei Raumrichtungen durch eine Kombination von GPS (US-amerikanisches Globales Positionierungssystem) und GLONASS (russisches Globales Navigationssystem).

Kerninstrument des GOCE-Satelliten ist ein sogenanntes Schwere-Gradiometer, das von der französischen Firma ONERA entwickelt wird. Es besteht im Prinzip aus einem System von fast unvorstellbar empfindlichen Beschleunigungsmessern, die in unmittelbarer Nähe des Massenzentrums des Satelliten in allen drei Raumrichtungen angeordnet sind. Aus diesen Beschleunigungsmessungen lassen sich Informationen über die lokale Raumkrümmung des Gravitationsfeldes ableiten und alle nichtgravitativen Störkräfte auf den Satelliten exakt bestimmen. Letztere Informationen werden in Echtzeit als Steuersignale an das Ionenstrahl-Antriebssystem weitergeleitet, das diese Störkräfte durch exakt entgegengesetzten Schub kompensiert und so dafür sorgt, daß der Satellit keine Eigenbewegungen durchführt und tatsächlich in Form eines freien Falls ca. 10000 Erdumrundungen vollführt. Schließlich werden aus der Information "Satellitenbahn" die großräumigen Strukturen und aus der Information "Raumkrümmung" die kleinräumigen Strukturen des Gravitationsfeldes als wissenschaftliches Produkt mit extrem hoher Genauigkeit abgeleitet.

GOCE-Datenverarbeitung - ein Mega-Problem


Im Laufe seiner 20 Monate dauernden Mission wird der GOCE-Satellit etwa 100 Millionen Daten liefern, die allesamt zur Bestimmung des Gravitationsfeldes der Erde, repräsentiert durch etwa 100.000 Parameter, verwendet werden. Im Klartext bedeutet dies letztlich, daß Gleichungssysteme mit etwa 100 Millionen Gleichungen zur Bestimmung von etwa 100.000 Unbekannten zu lösen sein werden. Ein Computerausdruck des gesamten Zahlenmaterials würde eine Fläche von etwa 3000 km2 füllen - ein Mega-Problem im wahrsten Sinne des Wortes. Das Grazer Team für Satellitengeodäsie hat mittlerweile auch Probleme dieser gigantischen Dimensionen fest im Griff.

Ein Quantensprung für die Geowissenschaften

Ozeanographie, Meteorologie und Klimaforschung

Die globalen Meeresströmungen können aus den Ergebnissen der GOCE-Mission in Kombination mit Satelliten-Altimetrie-Missionen wie ERS-2 und ENVISAT mit absoluter Genauigkeit im Zentimeterbereich verfolgt werden. Damit wird der Transport von Wärmeenergie durch Meeresströmungen ungleich besser quantifizierbar als dies bisher möglich war. Globale Wettervorhersage und Klimaforschung werden davon erheblich profitieren. Die Datenbasis von GOCE liefert auch erstmals präzise Informationen über die Hebungsraten des globalen Meeresniveaus als Folge der globalen Erwärmung.

Physik des Erdinneren

Das Gravitationsfeld der Erde ist ein Abbild ihrer internen Massenverteilung. Aus den Unregelmäßigkeiten des Gravitationsfeldes lassen sich, in Kombination mit seismischen Daten, Rückschlüsse auf die Art der Massenverteilung im Erdinneren ziehen. Somit eröffnet GOCE auch einen Blick in das tiefe Erdinnere, wo gewaltige Strömungsprozesse stattfinden. An der Erdoberfläche treten diese Prozesse wiederum durch ihre Wirkungen - Verschiebung von tektonischen Platten, Erdbeben und Vulkanismus - in Erscheinung. Die GOCE-Ergebnisse versprechen einen signifikanten Fortschritt in der Erforschung der so komplexen Erdbebenmechanismen.

Geodäsie

Das Schwerefeld der Erde (Schwere = Gravitation + Rotation) wird im mittleren Meeresniveau durch eine ausgezeichnete Fläche, das sogenannte Geoid, repräsentiert. Dieses Geoid stellt den Bezug für alle weltweiten Höhensysteme dar. Derzeit ist das Geoid für viele Zwecke noch unzulänglich bekannt. Die Folge: Die verschiedenen nationalen Höhensysteme unterscheiden sich um mehrere Dezimeter, was erhebliche Schwierigkeiten bei internationalen Ingenieurprojekten verursacht. GOCE wird dieses Problem endgültig aus der Welt schaffen und zu einer globalen Vereinheitlichung der Höhensysteme führen. Mit der Kenntnis des globalen Geoids können aber auch die geometrischen, mittels der globalen Positionierungs- und Navigationssysteme GPS, GLONASS und künftig GNSS ermittelten Höhen in brauchbare Höhen (die sich auf das Geoid beziehen) umgewandelt werden. So wird in Zukunft GPS sogar das aufwendige Nivellieren über große Distanzen ersetzen. Aber auch für alle Anwendungsbereiche von Trägheitsnavigationssystemen wird die exakte Kenntnis des Schwerefeldes eine massive Verbesserung der Navigationsergebnisse bringen.

Da die Bahnen von Satelliten weitgehend durch das Gravitationsfeld kontrolliert werden, wird die exakte Kenntnis des Gravitationsfeldes auch einen sehr wesentlichen Beitrag für eine erhebliche Verbesserung der Vorhersage aller Satellitenbahnen liefern.

Rückfragen:
O.Univ.-Prof. DI. Dr. Hans Sünkel
Email: suenkel@geomatics.tu-graz.ac.at
Tel.: 0316 873-6346

 

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Zeit: Montag,1.1.2004, ab 9h
Ort: TU Graz, Petersgasse 16 (Physikgebäude, Hörsaal P1
Info: unter http://www.cis.tugraz.at/info

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